Comicvorstellung: Mechanica Caelestium von Schreiber & Leser (Video)

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© Schreiber & Leser / Merwan

In diesem Video gibt es mal etwas aus dem Schreiber & Leser Verlag aus Hamburg, nämlich Mechanica Caelestium von Merwan, den ich mir nach positiven Kritiken auch endlich mal geholt und gelesen habe. Ob meine Kritik dazu ebenfalls positiv ausfällt, seht ihr, wenn ihr dranbleibt.

Die beiden Jugendlichen Aster und Wallis leben im Jahr 2068 nach einer vermutlich atomaren Katastrophe in der ländlichen Siedlung Pan und schlagen sich mit Streifzügen durch die verwüsteten Gebiete durch, bei denen sie alles einsammeln, was irgendwie von Wert sein könnte, um es gegen Essensrationen einzutauschen. Aster hat es dabei nicht leicht, da sie eine sogenannte No-Pan ist, jemand der nicht in Pan geboren wurde und damit kein offizieller Bürger ist. Quasi eine Art Staatsbürgerschaft in kleinem Rahmen. Auf einem ihrer Streifzüge tauchen plötzlich hochmoderne Drohnen auf und wie sich herausstellt, sind sie die Vorboten für die Ankunft von Botschafter Mulles aus der technologisch weit fortgeschrittenen Republik Fortuna, der den überraschten Bewohnern von Pan diesen Fortschritt und außerdem Schutz vor Piraten anbietet. Allerdings verlangt er im Gegenzug 25 % der Reisernte des Dorfes. Da Pan sowieso schon kaum mit der Produktion den Bedarf decken kann und deshalb alles strengstens rationiert wird, stellt das natürlich eine unmögliche Forderung dar. Durch einen Zufall stoßen sie auf die Möglichkeit, ein Urteil durch die Mechanica Caelestium herbeizuführen und so der Abgabe zu entkommen. Das Problem ist: Sie haben keine Ahnung was das überhaupt ist.

Zum Glück taucht in diesem Moment Juba auf, der verschollen geglaubte Sohn von Dorfchef Eddy und Wallis’ Bruder. Er hat einige Zeit in Fortuna gelebt und weiß, was die Mechanica Caelestium ist. Es handelt sich um eine Art Völkerball Spiel, bei dem zwei Mannschaften gegeneinander antreten und sich auf verschiedenen Spielgeländen gegenseitig mit Bällen abwerfen. Juba stellt eine Mannschaft zusammen und so treten er, Wallis, Aster und weitere Dorfbewohner die Reise an, um ihre Reisvorräte zu verteidigen.

Merwan hat die Geschichte sowohl geschrieben, als auch zeichnerisch umgesetzt. Er hat mit Mechanica Caelestium ein postapokalyptisches Sportspektakel geschaffen mit einer ganz typischen Underdog Story, von der unerfahrenen, schwachen Mannschaft, die für ein großes Ziel gegen einen überlegenen Gegner kämpft und dabei mit allerlei Problemen zu kämpfen hat. Das Szenario mit den unterschiedlichen Gebieten, erinnert durchaus ein wenig an die Tribute von Panem, jedoch weniger brutal, was die Mischung mit der Komödie Dodge Ball mit sich bringt. Bei aller endzeitlichen Ausrichtung, bleibt es jedoch unblutig und wir haben hier vom Prinzip her einen Sportcomic vor uns. Die Regeln der Mechanica Caelestium sollte an sich auch jeder aus dem Sportunterricht aus der Schule kennen. Zwei Mannschaften treten gegeneinander an, mit jeweils 6 Spielern und man versucht den Gegner mit Bällen abzuwerfen. Wird man getroffen und der Ball fällt dann zu Boden, ist man raus. Ein Schicksal, das mich als Sportskanone vor dem Herrn in der Regel schnell ereilt hat. Fängt man den Ball, kann man zurückwerfen und wehrt man ihn mit einem eigenen Ball ab, geht es normal weiter. Ungewöhnlicher sind hier nur die Spielfelder. Was mit einem normalen Feld beginnt, artet dann durch lustige Regelauslegungen seitens Fortuna immer weiter aus, sodass man am Ende fast von einem Häuserkampf sprechen kann. Das bringt durchaus Abwechslung rein und sorgt für mehr Spannung.

Die Zeichnungen, die ebenfalls von Merwan stammen, geben ein schön endzeitliches Bild ab. Die Linienführung ist nicht zu sauber und damit zu clean für die Post Apokalypse, sondern verzichtet da, wo es nicht unbedingt nötig ist, auch mal darauf, zu detailliert zu werden. Genauso sind die Protagonisten auch eher überzeichnet als extrem realistisch, was dem Ganzen noch einen verspielteren, jugendlicheren Touch gibt. An einigen Stellen haben mich das Aussehen und die Posen der Charaktere immer wieder mal an die Werke von Katsuhiro Otomo erinnert, der unter anderem für den epischen Manga Akira bekannt ist. Und den habe ich früher wirklich gesuchtet und verschlungen. Das wird besonders bei den Figuren aus Fortuna deutlich, aber man sieht die Einflüsse des Mangaka auch an vielen anderen Stellen.

Die Farben sehen nach echter Handarbeit mit Tusche oder Wasserfarben und Pinsel aus. Alles etwas gedeckter, schmuddeliger und keine knalligen Farben. In jeder Hinsicht passend zu Thema und Stimmung. Mir hat der Look jedenfalls sehr gut gefallen, auch wenn ich bei einem frankobelgischen Comic eher nicht mit Mangaeinflüssen gerechnet hätte.

Insgesamt hat Mechanica Caelestium sehr viel Spaß gemacht. Mit frischen, jugendlich aufsässigen Figuren wie Aster und ihrem etwas schüchterneren Freund Wallis, der zunächst hinter seinem älteren Bruder Juba zurückstehen muss, hat Merwan ein paar flotte Protagonisten für seine Underdog Geschichte, wo die verstoßene No-Pan plötzlich doch wichtig wird und es reichlich Eifersüchteleien und Intrigen gibt. Der Anführer der Republik Fortuna ist so ein typisch fieser Jugendserienbösewicht, der keine fiesen Tricks scheut, um an sein Ziel zu kommen. Von der zunächst angedrohten Waffengewalt ist dann nämlich nicht viel zu sehen. Deshalb würde ich trotz des Wahlspruches vom Schreiber & Leser Verlag „Feine Comics für Erwachsene“ durchaus ein jüngeres Publikum für diese schöne Grafiknovelle in Betracht ziehen. Ich meine, das Team Fortuna hat später „Waffen“, aber die verschießen auch nur die Bälle. Und davon ab wärmen Underdog Geschichten einem doch immer irgendwie das Herz. Wer fiebert nicht mit, wenn das gnadenlos unterlegene Anfängerteam es dem hochgezüchteten Eliteteam zeigt. Das hat bei „Die Bären sind los“ mit Baseball in den 70ern funktioniert, in den 90ern mit den „Mighty Ducks“ beim Eishockey und nicht zuletzt mit Dodgeball. Merwan bedient sich des gleichen Prinzips. Schwache Mannschaft steht vor einer großen Herausforderung, es kommt ein super Spieler hinzu, der zunächst alles im Alleingang versucht, aber dann wächst das Team zusammen. Ein Thema, das niemals alt wird und auch hier funktioniert es wieder hervorragend. Das Ganze dann noch in eine post apokalyptische Welt zu versetzen gibt der Geschichte auch noch einen frischen Touch, ganz ohne Mord und Totschlag, wie in anderen Dystopien der letzten Jahre.

Mit 208 Seiten im Hardcover mit einem schicken Gewebeband bei der Bindung und am Buchrücken, auf dem ein schlichter weißer Print aus Titel und Verlagslogo zu sehen ist, macht Mechanica Caelestium auch optisch und haptisch etwas her. Da sind 32,80 Euro in jedem Fall angebracht. Und es macht auch genauso viel Spaß.

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