Ich war mir im Vorfeld nicht so ganz sicher, was ich von der Joker Verfilmung halten sollte. Schon lange vor dem Start gab es einige Ankündigungen und Tumulte, die mich mit einem mulmigen Gefühl zurückließen. Es sollte eine Neuinterpretation des Jokermythos werden, die sich nur lose an die Comics anlehnen sollte und mit den ersten Trailern wurde ich irgendwie nicht richtig warm, da es ein Clownsmakeup zu sehen gab, anstelle des gewohnten Looks, den der Clownprinz des Verbrechens üblicherweise trug. Man muss zwar dazu sagen, dass es im Comic bereits einige unterschiedliche Inkarnationen und Outfits gab, doch wie ein Clown sah er eigentlich nie wirklich aus. Da war also die Hoffnung, dass sich das Makeup über den Film hinweg zu seiner finalen Form entwickelt und die vage Befürchtung, dass Robert Pattinson als Batman eingeführt wird. Letzteres war, ohne zu spoilern, glücklicherweise nicht der Fall. War eh unwahrscheinlich.
Aber kommen wir zum Film und was tatsächlich passiert ist. Wir begleiten Arthur Fleck, einen Mittvierziger, der mit seiner Mutter in einem kleinen Apartment in Gotham City lebt und sich mit kleinen, mies bezahlten Jobs durchschlägt. Er arbeitet für eine Clownsagentur, die ihre Mitarbeiter für verschiedenste Gelegenheiten vermietet, sei es als lebende Werbetafel oder zur Aufmunterung krebskranker Kinder in Krankenhäusern. Arthur macht seinen Job gern, wird aufgrund seiner psychischen Krankheit aber eher von anderen gemieden. Dank eines Schädeltraumas in seiner Kindheit muss er zwanghaft lachen, wenn er sich in einer für ihn unangenehmen Situation befindet. Mit einer Karte erklärt er peinlich berührten Passanten seine Krankheit, doch nicht in jeder Situation ist das möglich, was ihn ein ums andere Mal in Schwierigkeiten bringt. Er wird gemobbt, ausgenutzt, als Sündenbock hingestellt und ist nicht wirklich in der Lage sich zu wehren. In seinem Leben läuft nicht wirklich etwas gut. Nur die Abende vor dem Fernseher mit seiner kranken Mutter, um die er sich kümmert, bringen etwas Abwechslung, auch wenn diese nur aus Tagträumen besteht. Sein Wunsch ist es, Stand Up Comedy zu machen, was ihm dank seiner Krankheit nicht leicht fällt. Irgendwann ist er jedoch ganz am Boden, gerät darüber hinaus wieder in Problem, die aber letztendlich den Befreiungsschlag für ihn bedeuten und der Abstieg in den Wahnsinn nimmt Fahrt auf.
Todd Phillips, der bisher eher für seichte Komödien bekannt ist, weicht hier ganz heftig von seinem bisherigen Schema ab. Nach Filmen wie Roadtrip, Stichtag oder den Hangover Filmen hat er mit Joker quasi eine 180 Grad-Drehung vollzogen. Statt plattem Humor bekommt man hier ein extremes Psychospiel geboten. Der Fokus liegt komplett auf Arthur, der immer unter anderen gelitten hat und schließlich zu dem eiskalten und skrupellosen Killer wird, den wir aus den Batman Comics kennen. Allerdings ist er dabei etwas anders, ernster. Man bekommt keinen bissigen Humor, sondern nur einen bemitleidenswerten Mann, der zwar gern ein Comedian wäre, es aber einfach nicht drauf hat. Jedoch muss man zugeben, dass das besser in das Gesamtbild und zu seiner Vorgeschichte passt und wir stehen ja noch am Anfang seiner Entwicklung.
Auf der einen Seite nimmt sich Phillips die Zeit, weitere bekannte Figuren einzuführen, jedoch kommt das Geschehen im Hintergrund teilweise auch zu kurz. Während Arthur Fleck mit seiner ersten Zufallstat ungewollt eine ganze Bewegung, sieht man diese immer nur am Rande und bekommt kaum mit, warum sich diese entwickelt. Hier hätte man etwas mehr Story liefern können und konkretere Hinweise auf die Situation in Gotham liefern dürfen, um den Rahmen für die Geschichte etwas dichter zu gestalten und glaubwürdiger wirken zu lassen.
Wesentlich besser stellt sich die Kameraarbeit dar. Der Film liefert ein ums andere Mal wirklich beeindruckende Bilder, immer wieder von schräger Musik untermalt, die einem eiskalte Schauer über den Rücken laufen ließ. Optisch hat der Film wirklich alles richtig gemacht.
Über jede Kritik erhaben ist jedoch die Performance von Joaquin Phoenix. Zu jeder Minute des Films bringt er seine Rolle absolut auf den Punkt. Völlig abgemagert, wie schon Christian Bale in The Machinist, erweckt er den psychisch kranken Clown zum Leben. Vom leidenden Anfang bis hin zum geschminkten Irren, er stellt alles glaubwürdig dar und lässt an mehreren Stellen Gänsehaut mit seiner Darbietung aufkommen. Er lebt die Entwicklung von Arthur Fleck zum Joker. Da sollte bei der nächsten Oscar Verleihung sicher etwas für ihn drin sein. Gerade seine kleinen Tanzeinlagen lassen den Zuschauer ein ums andere Mal mit offenem Mund zurück, irgendwo zwischen gewollt und nicht gekonnt und künstlerischem Ausdruckstanz. An der Stelle würde mich interessieren, ob diese Tänze choreografiert waren oder ob es spontane Auswüchse von Phoenix selbst waren. Ich würde eher auf Zweiteres wetten. Alles in Allem eine wirklich beeindruckende Leistung, auch wenn ich mit dem Makeup immer noch nicht warmgeworden bin.
Fazit
Mehr Taxi Driver als Superheldenfilm und mit einigen Parallelen zu King of Comedy mit Robert De Niro, der hier die Rolle getauscht hat und den Late Night Showmaster gibt, zeigt Joker menschliche Abgründe, ohne einen positiven Gegenpol, der einen ab und zu mal wieder aus der Düsternis des Charakters herausholt. Der Film ist von vorne bis hinten einfach bedrückend und stellt die Psyche auf eine harte Probe. Bei der wenigen Situationskomik, wagt man sich schon kaum zu schmunzeln, weil als Nächstes wieder ein dicker Hammer kommt, der einen wieder in den Magen boxt. Andere Dinge sind eher der Kategorie Fremdschämen zuzuordnen. Man fühlt quasi den ganzen Film über die Last von Arthur Fleck auf den eigenen Schultern. Joaquin Phoenix bedrückende Darstellung eines psychisch Kranken ist eine Herausforderung für den Zuschauer. Damit bringt Todd Phillips den Superheldenfilm vom Mainstream ins anspruchsvolle Kino, das nicht für jedermann geeignet ist. Wer bunte Action und Superheldeneinerlei erwartet, wird hier enttäuscht werden, aber wer offen für neue Ansätze und andere Interpretationen ist, wird hier einen beeindruckenden Streifen sehen, der nur wenige Schwächen hat.